Am 13. Januar haben wir Q HISTORY in einem Seminar an der Uni Hannover vorgestellt. In der anschließenden Diskussion konnten wir nicht nur erfahren, wie Hörer außerhalb des eigenen Bekanntenkreises unser Geschichtsmagazin sehen, sondern haben gleichzeitig auch wichtige Denkanstöße erhalten. Ein Erfahrungsbericht.
Q HISTORY macht Spaß! Nach Diskussion der Themen, Recherche, Interviews und Schnitt ist es ein tolles Gefühl, das fertige Stück live zu hören. Aber auch wenn die Beiträge selbst im Vordergrund stehen, schauen wir doch immer wieder neugierig auf die Statistiken von Blog und Webstream: Wie viele Leute hören zu? Welcher Artikel wird am häufigsten geklickt? Das motiviert. Aber … gefällt den Hörern auch, was wir produzieren? Kommentare oder Anmerkungen landen jedenfalls nur selten in unserem Postfach.
Axel Becker vom Historischen Seminar der Uni Hannover lud uns ein, in seinem Seminar Digitale Revolution unser Projekt interessierten Geschichtsstudenten vorzustellen. Zu Dritt (Henrik Kipshagen, Matthias Friedmann und Philipp Spreckels) machten wir uns auf den Weg. Q HISTORY war zum ersten Mal ‚unterwegs‘.
Den Anfang machte unser Chef vom Dienst Matthias Friedmann mit der allgemeinen Projektvorstellung.
Q HISTORY Revisited: Das Projekt
Am Anfang steht die grundlegende Idee hinter Q HISTORY. Historiker sind alles andere als weltfremd. Im Gegenteil: Ohne die Beschäftigung mit der Gegenwart ist an Geschichtswissenschaft gar nicht zu denken. Dennoch spielt die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart in kaum einem populären Geschichtsmagazin, sei es Print, Internet, Radio oder Fernsehen, eine Rolle. Aber: Warum ist es überhaupt von Bedeutung, dies und jenes über die Vergangenheit zu wissen? Und: Welche Rolle spielt Geschichte im Alltag? Diese Fragen soll Q HISTORY beantworten. Wir wollen aktuelle Debatten und Fragestellungen mit Hilfe einer historischen, wissenschaftlichen Betrachtung um neue Perspektiven erweitern. (Unterhaltung und Spaß am Zuhören nicht ausgeschlossen!)
Und in der Praxis? Wie haben wir den Spagat zwischen Wissenschaft und Unterhaltung gelöst? Hier setzen wir auf die Möglichkeiten, die uns das Medium Radio bietet, sowie eine abwechslungsreiche Gestaltung. Auf der einen Seite steht der klassische ‚gebaute Beitrag‘, auf der anderen Seite dynamische Elemente wie z. B. ein Kollegengespräch oder das Telefoninterview. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind vielfältig. Allein der gebaute Beitrag bietet zahlreiche Möglichkeiten – vom normalen Beitrag mit Sprecher, Quellenzitaten und Experteninterview bis hin zu Reportagen und bunteren, experimentelleren Beiträgen mit Hörspielcharakter ist alles drin. So haben wir uns an einem Interview mit einem Toten erprobt, der Einweihung des Herrmanndenkmals einen Besuch abgestattet oder zum Talk im Spätmittelalter eingeladen.
Als nächstes sprach unser Online-Chef Philipp Spreckels über die Einbindung und den Nutzen von Web 2.0 & social media-Elementen für unser Geschichtsmagazin.
Q HISTORY Reloaded: Von On Air zu Online
Online ist Q HISTORY auf dem Blog zu Hause. Hier veröffentlichen wir unsere Beiträge und stellen uns vor. So weit, so gut – aber die Übertragung der Radiobeiträge ins Netz ist kein copy & paste. Die (Online-)Lesegewohnheiten wollen geachtet werden. Texte müssen formatiert werden, in ein einheitliches Layout gebracht und mit Illustrationen versehen werden. Dabei erhalten die Beiträge durch themenbezogene Fotos und Karten einen optischen wie inhaltlichen Mehrwert. Die Übertragung erfordert also nicht nur formale, sondern auch inhaltliche Arbeit. So war die Auswahl der Fotos für unseren Afghanistan-Beitrag nicht einfach – Bilder sagen mehr als Tausend Worte. Und nur die richtigen Worte sollen es sein. Man sollte meinen, dass das Bereitstellen der Audiomitschnitte einfacher ist. Leider zwingt uns aber hier die GEMA, kommerzielles Material (Musik, Sounds, Audio-Zitate) aus den Download-MP3s heraus zu schneiden. Das Ergebnis reicht von verringerter Atmosphäre über kleinere Auslassungen bis hin zu inhaltlichen Einschränkungen / Streichungen.
Q HISTORY ist auf Facebook, Twitter und StudiVZ vertreten. Aber auch im social web ist nicht alles so einfach. Jeder Kanal hat eine andere Zielgruppe, andere technische Möglichkeiten und ganz eigene Umgangsformen. Während auf den Blog nur Artikel und Hintergrundberichte kommen, darf es auf Facebook und Twitter schon mal mehr sein. Hier schauen wir öfters über den eigenen Tellerrand und tauschen uns mit der und über die deutschsprachige Geschichtsszene aus. Von YouTube-Videos über Veranstaltungstipps bis hin zu interessanten Artikeln auf ‚benachbarten‘ Blogs ist hier einiges möglich. Und: Während Kommentare auf qhistory.de noch selten sind, kommt man auf Facebook & Co. schon eher mit den Fans ins Gespräch.
Q HISTORY: Diskutiert
Das Interessanteste war für uns die anschließende Diskussion mit den Seminarteilnehmern. Wir haben dabei nicht nur zum ersten Mal mit unseren Hörern direkt sprechen können, sondern gleichzeitig auch wichtige Denkanstöße für unsere Arbeit erhalten. Einige Auszüge sind im Folgenden aufgeführt.
Warum gibt es online nicht mehr Feedback?
Diese Frage beschäftigt uns schon länger. Grund könnte …
… die Größe unseres Blogs sein. Trotz stetigem Wachstum ist unser Magazin nach einem Jahr immer noch relativ klein. Vielleicht haben wir noch nicht die ‚kritische Masse‘ erreicht?
… das Ziel der Besucher sein. Der Großteil kommt über Google auf unsere Seite und interessiert sich möglicherweise nur für ein spezielles Thema. An einer Diskussion ist dieser Besuchertyp wahrscheinlich gar nicht interessiert.
… der Spezialcharakter unserer Themen sein. Themen wie Sexualität in der Antike sind eben recht speziell – da ist es unwahrscheinlich, dass der Leser genügend Fachwissen mitbringt, um den Inhalt zu diskutieren oder zu kritisieren. Andererseits könnte es aber auch ein Stück weit an der Diskussionskultur im Netz selbst liegen. Wirft man einen Blick auf große Newsportale, wie z. B. die Facebookseite der ZEIT, so fällt auf, dass besonders die Themen kommentiert werden, zu denen viele Benutzer bereits eine Meinung haben. Zu „Deutschland schafft sich ab“ kann jeder seinen Senf dazu geben, bei der „Iranischen Revolution“ wird das schon schwieriger.
Wie / Als was seht ihr euch?
Eine schwierige Frage. Sind wir Journalisten, Historiker und / oder einfach nur Studenten? Ein bisschen von allem …
Als Studenten der Geschichte haben wir gelernt, jeden Text gegen den Strich zu lesen und zu hinterfragen. Man gewinnt ein Gefühl für den Umgang mit verschiedenen Perspektiven und Differenzen. Als Journalist ist es unsere Aufgabe, nach Relavanz zu sortieren und zu überlegen, was für die Öffentlichkeit von Interesse sein könnte – letztlich ist die Grundlage dafür aber auch durch unsere eigenen Interessen gegeben.
Die grundsätzliche Arbeitsweise eines Journalisten unterscheidet sich jedoch nicht grundlegend von der eines Historikers. Beide müssen kritisch mit ihrem Material und ihren Quellen umgehen und sich dabei selbst hinterfragen.
Als Studenten haben wir schließlich „Narrenfreiheit“. Noch sind wir an keine institutionellen oder ökonomischen Zwänge gebunden. Wir müssen nicht auf Quote oder Gewinnmaximierung achten, sondern können Studenten sein: ausprobieren und experimentieren. Das zeichnet Q HISTORY sowie Radio Q generell aus.
Warum gibt es nicht mehr Blogs eurer Art?
Geschichte ist im Web Mangelware. Die deutschsprachige Geschichtsblogosphäre ist überschaubar. Womöglich trauen sich gerade Historiker nicht ins Web 2.0, da sie es gewöhnt sind, von der Idee bis zur Publikation alles hundert mal abzuklopfen und abzusichern; dagegen sind Blogs doch eher spontan und impulsiv.
Wir freuen uns auf weitere Gelegenheiten, mit unserern Hörern sprechen zu können.
Autor/Redaktion: Matthias Friedmann, Philipp Spreckels
Foto: Axel Becker