Die Fortsetzung langlebiger TV-Serien wie Buffy als Comic

Buffy, Smallville, Akte X. Die Liste amerikanischer Fernsehserien, die nach ihrer Absetzung als Comic fortgeführt werden, wächst stetig. Anhand von „Buffy the Vampire Slayer“ will ich untersuchen, warum sich gerade das Medium Comic für einen solchen Medienwechsel anbietet und welche inhaltliche Auswirkungen dies gerade auf etablierte TV-Erzählungen haben kann. Denn ich muss zugeben: Als Fan der Fernsehserie war ich skeptisch, ob mir die Comics gefallen würden.

Warum TV-Serien sterben

Obwohl erfolgreiche Fernsehserien über Jahre hinweg Millionen von Zuschauern vor die Mattscheibe locken, führen steigende Produktionskosten (höhere Gagen, größerer Cast, mehr Special Effects) und stagnierende Zuschauerzahlen irgendwann dazu, dass sie nicht mehr profitabel sind. Auch eine ungeschickte Programmplatzierung, der Weggang von prominenten Schauspielern oder inhaltliche Zerwürfnisse zwischen Sender und Produktionsteam können das Ende einer TV-Serie herbeiführen. Schlussendlich flimmert irgendwann, begleitet durch das Wehklagen eingeschworener Fans, die letzte Episode über die Empfangsgeräte.

An dieser Stelle könnte Schluss sein. Es sei denn …

Einspruch Fan: „Ihr könnt doch jetzt nicht aufhören! Seit Jahren bin ich euch treu geblieben. Keine Episode habe ich verpasst. Bitte bringt die Serie zurück!“

Einspruch Autor: „Kann es das gewesen sein? Sollen all die noch nicht verfilmten Skripte und Ideen in der Schublade verschwinden? Die Serie hat doch erzählerisch noch immer viel zu bieten!“

Einspruch Produzent: „Eigentlich ist die Marke zu wertvoll, um sie jetzt schon einzustampfen. Gerade die fanatischen Fans könnten wir sicherlich noch ein paar Jahre melken. Vielleicht mit einem Medium, dass geringere Produktionskosten verursacht…“

TV-Serien werden als Comic fortgesetzt
Kein billiges Geschäft: Gerade hohe Gagen, ein großer Cast und Special Effects treiben die Budgets von TV-Serien in die Höhe. (cc-by-nc-sa snaphappygeek)

Warum Comics?

Und tatsächlich. Wenn man die Produktionskosten von Fernsehserien und Comics vergleicht, spricht wirtschaftlich viel dafür, TV-Erzählungen als Comic fortzuführen.

  1. Comics sind billig. Special Effekts, exotische Schauplätze, Massenszenen, ein großer Cast. Faktoren, die gerade die Budgets von TV-Serien durch die Decke schießen lassen, spielen im Comic eine untergeordnete Rolle. Allein mit ein oder zwei Personen (Zeichner, Szenarist / Redakteur), kann man einen Comic schon auf die Beine stellen.
  2. Comics sind schnell. Im Gegensatz zu Romanen oder PC-Spielen muss die Produktion eines Comics nicht lange dauern. Durch das Abwechseln von Zeichnern sind auch kontinuierliche Erscheinungsformen machbar.
  3. Comics sind visuell. Sowohl Film als auch Comic sind in aller erster Linie visuelle Medien. Das macht es möglich, prägende Bildelemente (charakteristische Orte, Personen, Blickwinkel, Farbgebung) zu reproduzieren, an die sich die Fans über Jahre hinweg gewöhnt haben.
  4. Comics sind ein Massenmedium. Zumindest in den USA ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein Teil der Fans bereits Comics gelesen haben und mit den erzählerischen Mitteln (Panels, Sprechblasen etc.) vertraut sind. Die Gefahr, dass interessierte Fans die neue Serie aufgrund ihres Mediums missachten, ist also gering.

Aus Sicht von Drehbuchautoren locken gerade die dramaturgischen Freiheiten des Mediums Comic („Comics sind günstig“). Statt die Handlung also an die zur Verfügung stehenden Budgets anzupassen, mit Departments und Schauspielern zu diskutieren und sich vor Studiobossen zu rechtfertigen, begrenzen im Comic nur noch die Fantasie des Autors und das Talent des Zeichners die Möglichkeiten der Geschichte. Alligatoren auf dem Nordpol, Merkel im Hyperraum, Gastauftritte von Charly Chaplin? Alles kein Problem mehr.

Die Frage ist nur: Wie stark verändern die neuen Möglichkeiten die inhaltliche Zusammensetzung der Serie und finden die Fans Geschmack an der neuen Mischung?

Actionlastig - Buffy Staffel 7
Global statt lokal: Im Comic führt Buffy eine weltweit agierende Jäger-Organisation an. (BVS, S. 7)

Das Beispiel „Buffy the Vampire Slayer“

Eine Erfolgsgeschichte in Zahlen

Nach 7 Staffeln und insgesamt 144 Einzelepisoden lief am 20. Mai 2003 die letzte Episode von „Buffy the Vampire Slayer“ im amerikanischen Fernsehen. Erst 2007 wurde Buffy dann als monatliche Comicserie beim US-Verlag Dark Horse (im Deutschen bei Panini) fortgesetzt, und zwar mit Erfolg. Die offiziell als „8. Staffel“ bezeichnete Comicserie erreichte bis 2011 einen Umfang von 40 Einzelheften, wurde mit einem Eisner Award ausgezeichnet und brachte zahlreiche Spinn-offs und One-Shots hervor. Mittlerweile erscheint in den USA bereits die 10. Staffel und auch die TV-Spinn-off-Serie „Angel“ wird als Comic fortgesetzt. Die anfänglich noch beachtlichen Verkaufszahlen (Heft Nr. 7 wurde 94.0000 mal verkauft) gehen derweil jedoch zurück: Während „The Walking Dead“ um die 70.000 Hefte verkauft, hat sich Buffy 11 Jahre nach der letzten TV-Ausstrahlung bei 17.000 eingependelt.

Die Arbeitsteilung der Autoren ähnelt der TV-Serie: Während Buffy-Erfinder Joss Whedon die Serie als Produzent überblickt und den allgemeinen Handlungsbogen vorgibt, werden die einzelnen Hefte von wechselnden Autoren geschrieben. In der 8. Staffel zählen neben bekannten Drehbuchautoren der TV-Serie wie Jane Espenson und Steven S. DeKnight auch Comicszenaristen wie Brian K. Vaughan (ExMachina, Saga) zu diesem Kreis. Die Zeichnungen stammen hauptsächlich von Georges Jeanty.

Insgesamt kann man also sagen, dass die Comicserie sehr erfolgreich ist. Zumindest die Verkaufszahlen bestätigen diese These.

Mir bleibt die Fortsetzung fremd

Und doch habe ich persönlich so meine Probleme mit der Comicfortsetzung. Ich kann zwar verstehen, dass die Autoren ihre neu gewonnen Freiheiten auskosten wollen. Mit der 8. Staffel geht meiner Meinung nach aber vieles von dem verloren, was mich während der Schulzeit regelmäßig ans Sofa gefesselt hat. Für mich war Buffy eine Serie, deren Setting zwar fantastisch anmutete, deren Charaktere aber immer bodenständig blieben. Der Fokus vieler Episoden lag auf den alltäglichen Sorgen eigentlich ganz normaler Teenager, gesalzen mit einer Prise aus Magie und Monstern. Die Buffy-Geschichten der Comicserie sind dagegen vollkommen versalzen. Es dominieren Action statt Dialoge, überbordende statt reduzierte Fantastik, globale statt lokaler Handlungsorte. Der Fokus geht verloren, es bleibt kaum noch Zeit für die Charakterisierung einzelner Personen. Erschwerend kommt hinzu, dass ich nur wenig mit dem quietsch-bunten, kindlich-runden Artwork von Georges Jeanty anfangen kann. Zu bunt, zu schrill, zu laut. Trotz einiger origineller Ideen: Mein Buffy ist diese Comicserie nicht.

Fazit

Schlussendlich muss sich bei einem Medienwechsel jeder Serienfan selbst die Frage stellen: Was macht die Serie im Kern für mich aus? Je nachdem wie die Antwort ausfällt und ob die Macher des neuen Formats dies ähnlich sehen, kann die Fortführung einer TV-Serie als Comic gelingen oder auch nicht. Ganz ohne inhaltliche Verschiebung wird ein solcher Wechsel jedoch nie vonstattengehen. Es bleibt für die Autoren und Zeichner also ein Drahtseilakt – zwischen Alt-bewährtem und neuen Freiheiten, zwischen Kontinuität und Revolution. Der Abgrund lauert auf beiden Seiten.

Mehr zum Thema Buffy-Comics und TV-Serien

  • Buffy, die 8. Staffel: Leseprobe von Band 1 bei Panini
  • Die Buffy-Chroniken: Weitere Buffy-Comics, die bereits parallel zur TV-Serie entstanden und somit keine offizielle Fortsetzung darstellen, sind in Deutschland unter dem Titel „Buffy the Vampire Slayer – Chroniken“ veröffentlicht worden. Mir persönlich gefallen diese Anthologien deutlich besser. Ohne die Verantwortung, die Hauptstory fortführen zu müssen, können sich die einzelnen Autoren relativ frei bewegen, ohne das Buffy-Universum gleich grundlegend zu verändern. Auch grafisch bieten die Anthologien deutlich mehr Abwechslung.
  • Auch mein Wilsberg-Interview mit Jörg Hartmann und der Artikel über „Vampir“ (Joann Sfar) beschäftigen sich mit den Unterschieden zwischen Fernsehen und Comic.

Weitere TV-Serien, die als Comic fortgeführt werden

Bildnachweis: Buffy the Vampire Slayer – Die Rückkehr der Jägerin, Panini Comics 2014 (BVS).