Wie im letzten Jahr habe ich mich gut gerüstet auf nach Berlin zur re:publica gemacht. Zeit und Perspektive waren dieses Jahr jedoch eine andere.
Meine re:publica-Brille vom letzten Jahr war durch das Studentendasein und die ehrenamtliche Arbeit beim Geschichtsmagazin Q History gefärbt. Somit standen alle möglichen Webentwicklungen wie Geomapping aber natürlich auch digitaler Journalismus, Gamification etc. im Fokus. Da ich mir das Studententicket selber gegönnt hatte, konnte ich mir alles nach Lust und Laune anschauen.
Die Färbung meiner diesjährigen re:publica-Brille war natürlich durch meine Arbeit in der Online-Redaktion der Uni-Münster geprägt. Dementsprechend waren eher die rechtlichen Vorträge zum Publizieren im Netz von Udo Vetter und Joerg Heidrich, die Twitter-Strategie der ESA / des DLR aber auch nicht auf den ersten Blick Relevantes, wie Judith Ackermanns Vortrag zu Lernprozessen beim Computerspielen von Interesse. Richtig spannend wurde es aber im re:learn-Panel.
Liquid Science statt Elfenbeinturm?
Die Diskussionsrunde „Raus aus dem Elfenbeinturm! Forschung und Lehre zum Mitmachen“ beschäftigte sich mit der Frage, wie man den Entstehungsprozess von Forschung und Lehre offen legen kann und auch nicht-Wissenschaftler daran beteiligt. Die Diskussion zwischen Monika König, Matthias Fromm, Olvier Tracke, Volkmar Langer und dem Publikum entwickelte sich relativ flott. Schnell war die Frage aufgeworfen, ob Open Science (wie auch immer das auch aussehen soll) ohne einen Kulturwandel an den Hochschulen überhaupt möglich sein wird? Dass dies in eine komplett andere Richtung gehen würde als die nicht-mehr-ganz-so-neuen Ergebnisse der Bolognareformen, wurde ebenfalls diskutiert. (Ich selber habe zwar im Bachelor-Studium nicht das Gefühl gehabt, dass mir von einem Bologona-Verschulungsraster jegliche Eigenentwicklung genommen wurde. Aber das muss ja nichts heißen. Paradoxerweise sind ja auch nach Bologna die Studiengänge über einzelne Hochschulen hinaus kaum zu vergleichen …)
Wie dem auch sei. Wenn wir einer der letzten Wortmeldungen aus dem Publikum glauben schenken können, wird es „in 50 Jahren eh keine Universitäten mehr geben.“ Nach Open Science also Liquid Science? Ich hab da so meine Zweifel.
Wissenschaftliches Bloggen in Deutschland
Ebenfalls in re:learn untergebracht war die Diskussionsrunde „Wissenschaftliches Bloggen in Deutschland“ mit Leonhard Dobusch, Mareike König, Thorsten Thiel, Max Steinbeis und Daniela Kallinich. Hier haben die Referenten ihre eigenen Blogprojekte vorgestellt und einige interessante Thesen aufgestellt.
- These 1: Wissenschaftliches Bloggen fördert die Interdisziplinarität.
- These 2: Bloggen ist eine gute Schreibübung für den wissenschaftlichen Nachwuchs und erhöht die Sichtbarkeit der eigenen Forschung.
- These 3: Bloggen wird eine eigene Nische bleiben und Wissenschaftspublikationen und -zeitschriften nicht ablösen.
- These 4: Ein wissenschaftlicher Blog muss nicht viele Leser oder Kommentare haben, um erfolgreich zu sein.
Bei den vorgestellten Blogprojekten hatten es mir vor allem die geisteswissenschaftliche Blogcommunity/-plattform hypotheses.org und den Gemeinschaftsblog des Göttinger Instituts für Demokratieforschung angetan.
Hypotheses ist aus Sicht zentraler Online-Redaktionen von Hochschulen interessant, weil es wohl schon Universitäten in Frankreich gibt, die deren Blogs einbinden bzw. die „hochschuleigenen“ Blogs auf einer Seite sammeln. Sprich: Statt mit dem eigenen Content Mangement System das Rad neu zu erfinden, wird die WordPress-Basis genutzt.
Der Institusblog wiederum ist ein gutes Beispiel dafür, wie sehr dezentral und relativ ungesteuert Kommunikation zwischen Wissenschaft und der halb-wissenschaftlicher Öffentlichkeit entstehen kann. Manche Pressestellenmitarbeiter würden sich über eine solche Fundgrube jenseits der normalen Aufmerksamkeitskanäle sicherlich freuen.
Foto: cc-by-nd Ashley Coombs