Captain America verprügelt auch in der neusten Verfilmung stereotype Nazi-Soldaten, dabei stand der patriotische Comic-Held schon mal kurz davor gegen George W. Bush anzutreten.
Er ist groß, blond, blauäugig und schreitet wie ein Kriegsgott über die Schlachtfelder des Zweiten Weltkrieges. Die Rede ist von Captain America, der amerikanischen Antwort auf den Übermenschen-Rassenwahn der Nazis. Anfang August kommt der Superheld in die US-Kinos (Captain America: The First Avenger), ein Blick in die Geschichte des Comics lohnt sich schon jetzt.
März 1941, ein Jahr vor dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor, erscheint das erste Heft von Captain America. Von nun an nimmt sich der patriotische Superheld Japaner und Nationalsozialisten zur Brust. Erzfeind von Captain America ist Red Skull, alias Johann Schmidt, die rechte Hand Hitlers und Kopf einer Nazi-Terrororganisation.
Von Hurra-Patriotismus bis Sozialkritik
1945 endet der Krieg. Die Nazis sind besiegt, Red Skull geschlagen, doch an Ruhestand ist nicht zu denken. Nach kurzer Einstellung der Comic-Serie wird der Superheld Mitte der 60er Jahre wiederbelebt. Statt einfarbig-stereotypen Nazis hat es Captain America nun mit dem drohenden Atomkrieg, der eskalierenden Situation in Vietnam sowie US-internen Problemen wie dem Watergate-Skandal zu tun.
Da sich das Selbstbild Amerikas und damit auch die Definition von Patriotismus ständig verändert, muss auch Captain America sich immer wieder neu erfinden. Je nach Autor und Zeit schwankt die Darstellung von Hurra-Patriotismus bis Sozialkritik – so rettet Captain America nach dem 11. September 2001 einen US-Araber vor dem wütenden Vater eines World Trade Center-Opfers, nur um kurze Zeit später Jagd auf Al-Qaida zu machen.
Der Irakkrieg spaltet die Comicfans
Der Einmarsch in den Irak (2003) spaltet die Fans des Superhelden, wie der Comic-Autor Ed Brubaker der Daily News verriet: „Alle radikal-linken Fans schienen sich einen Captain America zu wünschen, der an Straßenecken Reden gegen die Bush-Regierung schwingt. Der rechte Flügel hätte es dagegen gerne gesehen, wenn er in den Straßenschluchten Bagdads gegen Saddam Hussein gekämpft hätte.“ Die Diskussion um den Comic wird zum Spiegel der öffentlichen Debatte in den Vereinigten Staaten.
Auch wenn die Verwicklung der USA in militärische Konflikte rund um die Welt (zuletzt in Lybien) nicht abreißt und auch der War On Terror über den Tod von Osama bin Laden hinaus andauert, wirkt der muskelbepackte Supersoldat heute deplatziert. Mit einer starken Rechten lassen sich vielleicht Fundamentalisten und Tyrannen stoppen, gegen Finanzkrisen, WikiLeaks und die wachsende Macht Chinas wirkt Captain America hingegen ohnmächtig. Insofern verbrennt sich die neue Verfilmung Hollywoods nicht die Finger an modernen Experimenten, sondern kehrt zu den Ursprüngen des Comics zurück.
Keine Experimente bei der Verfilmung
Unter der Regie von Joe Johnston (Jumanji, Jurassic Park III) tritt der schmalbrüstige Steve Rogers (Chris Evans) der US-Armee bei, um gegen die Nazis kämpfen zu können. Ein geheimes Militärprojekt verwandelt den Schwächling in den muskulösen Captain America – doch das Böse schläft nicht. Der Nazi-Agent Red Skull (Hugo Weaving) will mithilfe einer magischen Wunderwaffe die Weltherrschaft an sich reißen – kann Captain America ihn aufhalten?
Statt Muskelmasse und Schild gegen Scheckbuch und Laptop einzutauschen, bietet Captain America: The First Avenger solide Hausmannskost aus der ‚guten alten Zeit‘ des Zweiten Weltkrieges: Wir schreiben das Jahr 1942. Ganz Europa ist von Hitler besetzt … Ganz Europa? Nein! Ein Superheld im Kleid der US-Flagge prügelt sich durch Reihen bösartiger Nazis.
Pictures: by-nc Carlos Ayala, Philipp Lenssen
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